Hier haben die Frauen im Roten Kreuz die Hosen an: 15 Ehrenamtliche der BRK-Bereitschaften Ainring, Berchtesgaden und Teisendorf haben im November bei Fachdienstleiterin Petra Rautter und Ausbilderin Christa Glaser einen Grundlehrgang Betreuungsdienst absolviert, der neben dem Sanitätskurs zur Grundausbildung der freiwilligen Rotkreuzler gehört. Der Betreuungsdienst der BRK-Bereitschaften im Berchtesgadener Land ist seit Jahren fest in weiblicher Hand; die Arbeit der energischen Damentruppe besteht aber aus weitaus mehr als Hausfrauenkunst an der Gulaschkanone. Die Freiwilligen kümmern sich bei größeren Schadensereignissen um die oft zahlreichen Betroffenen und Unverletzten, sorgen für Verpflegung, Soziales und Unterkunft. Auch immer mehr interessierte Männer wagen sich zaghaft in die vermeintliche Frauendomäne vor.
Im Schatten der Aufmerksamkeit
„Rotkreuz-Arbeit ist weitaus mehr als Rettungsdienst oder Sanitätsdienst; wir haben ein komplexes und abgestuftes Hilfeleistungssystem, in dem auch Betroffene und Unverletzte nicht vergessen werden“, erklärt Kreisbereitschaftsleiter Andreas Rautter. Der Betreuungsdienst der BRK-Bereitschaften steht oft im Schatten der Aufmerksamkeit, wenn es bei einem Unglück Tote und Verletzte gibt. Die Helfer müssen sich im Einsatzfall aber auch um die Unterkunft und Versorgung von Unverletzten und evakuierten Menschen kümmern. Hier beginnt die Arbeit von Petra Rautter und ihrem Team: Die Einsatzkräfte sorgen mit ihrer Feldküche für die Massenverpflegung und können mit Zelten und Feldbetten eine vorübergehende Notunterkunft einrichten. Im Berchtesgadener Land betreiben die BRK-Bereitschaften an sechs Standorten Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG´n), die bei größeren Schadenslagen unter anderem die Aufgaben im Sanitäts- und Betreuungsdienst übernehmen.
Früher bekam mancher Mann schnell Angst
„Beim uns sind aber nicht nur Sanitäter gefragt. Wir haben Anfragen von Männern und Frauen über 50, die sich für etwas wirklich Sinnvolles und Wichtiges ehrenamtlich einsetzen wollen, denen die Arbeit an vorderster Front am schwer Verletzten oder erkrankten Patienten aber einfach zu nervenaufreibend ist. Im Betreuungsdienst blühen sie dann auf“, freut sich Rautter, die ihr Team gerne weiter ausbauen würde und laufend externe Interessierte sucht, die die Arbeit im Roten Kreuz näher kennenlernen wollen. Bei so viel amazonenhafter Frauenpower bekommt mancher Mann schnell Angst; und tatsächlich: In der von Herren dominierten Welt der Einsatzorganisationen hatten es die Damen aus Teisendorf nicht immer leicht. Sie mussten gegen Vorurteile ankämpfen, viel Überzeugungsarbeit leisten und besser sein, als ihre männlichen Kollegen. Im Stüberl des Ainringer Rotkreuz-Heims hängen ein paar Eisenhandschellen, darunter steht auf einem Schild mit einer Kette „Vorsicht, bissige Küchenchefin! Fachdienstleiterin Betreuungsdienst Christa Glaser“. Das Relikt aus alten Zeiten ist ein Geschenk des damaligen Kreisbereitschaftsleiters Ludwig Wetzelsberger, der die mythenbehafteten Betreuungsfrauen damit am liebsten symbolisch an ihren Feldhochherd fesseln wollte. Der energische Umgangston im Küchenteam und die Arbeit streng nach Hygienevorschriften bei der Essensausgabe war manchem altgedienten Sanitäter damals noch zu viel des Guten. Mittlerweile arbeitet Wetzelsberger selbst begeistert bei der „bissigen Küchenchefin“ mit und die professionelle Arbeitsweise ist längst Standard. „Massenverpflegung ist ein sensibler Bereich; ohne eine strikte Führung und die entsprechende Planung geht da nichts“, erklärt Ausbilderin Christa Glaser, die Mutter des Betreuungsdienstes im Landkreis, die den Fachdienst mit der notwendigen Disziplin und Zielstrebigkeit über Jahre hinweg aufgebaut hat.
Die Männer fasziniert vor allem die moderne Technik
Männlichen Zustrom bekommen die Betreuerinnen vor allem aus ihren Kursen. „Die Arbeit in Petra Rautters Team macht richtig Spaß“, meint Florian Graf von der BRK-Bereitschaft Ainring. Der 19-Jährige hat am Wochenende in Teisendorf an einem Grundlehrgang Betreuungsdienst teilgenommen, den jeder Helfer der Bereitschaften im Rahmen seiner Grundausbildung absolvieren muss. „Den Jungs gefällt am Betreuungsdienst vor allem die Technik“, meint Christa Glaser, die den Kurs als Ausbilderin durchgeführt hat. Die Truppe verfügt über richtig gute und moderne Ausrüstung: Ein kompletter Betreuungszug mit zwei Fahrzeugen, einem Feldkochanhänger und jeder Menge Ausrüstung zur Massenverpflegung und für Notunterkünfte ist an den BRK-Häusern Teisendorf und Ainring stationiert.
Rollenspiele: Mütter mit Säuglingen, Blinde und Rollstuhlfahrer betreuen
An der Helfergrundausbildung in Teisendorf nahmen insgesamt 15 Einsatzkräfte der BRK-Bereitschaften Ainring, Berchtesgaden und Teisendorf teil. In 16 Unterrichtseinheiten lernten sie die Strukturen des Betreuungsdienstes kennen: Wer, wann und wo bei Schadenslagen die Betroffenen registriert und wie man in der Theorie und auch in der Praxis eine Verpflegungsausgabe aufbaut. „Die Teilnehmer haben die Abläufe mit viel Spaß und Begeisterung selbst organisiert“, freut sich Glaser. Am zweiten Tag stand die Betreuung von unverletzt Betroffenen und deren Unterbringung im Mittelpunkt der Ausbildung. So mussten die Helfer sich in Rollenspielen mit besonders Hilfsbedürftigen, wie Mütter mit ihren Säuglingen, älteren Menschen, Blinden und Rollstuhlfahrern beschäftigen. Auf den Plänen des BRK-Heims wurde die Unterbringung unverletzt betroffener Personen theoretisch durchgespielt. Nach zwei kurzweiligen Tagen ging der Lehrgang am Sonntagnachmittag zu Ende.
„Unserer Arbeit erfordert oft mehr Geduld und ist zeitaufwendiger als im Rettungs- und Sanitätsdienst, da wir uns länger mit den Betroffenen beschäftigen müssen; spannend und abwechslungsreich ist sie aber genauso. Wir sind länger mit den Leuten zusammen und können intensiver auf sie eingehen“, erklärt Petra Rautter. Wer Interesse an einer aktiven Mitarbeit im Betreuungsdienst hat, kann sich unter der Telefonnummer +49 (0) 8651 9590-21 in der Kreisgeschäftsstelle des Roten Kreuzes melden.