28.09.2007 – Katastrophenschutz-Übung

Freitagnachmittag fand am Königssee eine groß angelegte Katastrophenschutz-Übung statt. Angenommen wurde, dass zwei Elektro-Passagierschiffe der Bayerischen Seenschifffahrt unmittelbar vor St. Bartholomä miteinander kollidiert waren. Die über 300 teilnehmenden Einsatzkräfte und Helfer aus dem gesamten Berchtesgadener Land mussten 45 Patientenmimen von den verqualmten Schiffen, aus dem kalten Wasser und vom Steilufer retten. Die abgelegene und zunächst nur über den Wasserweg erreichbare Einsatzstelle, topografisch bedingte Funkprobleme, Feuer und auslaufendes Öl stellten zusätzliche Schwierigkeiten dar, die nur durch ein optimales Zusammenspiel der verschiedenen Einheiten bewältigt werden konnten. Das Team für realistische Unfall- und Notfalldarstellung des BRK hatte 45 Mimen mit viel Schminke in Verletzte und Betroffene verwandelt.

Nachdem gegen 15.45 Uhr ein fiktiver Notruf des Betriebsleiters der Bayerischen Seenschifffahrt in der Nachalarmierungsstelle der Freiwilligen Feuerwehr Berchtesgaden eingeht, wird Großalarm für die im Umkreis bereitstehenden Einheiten der Gefahrenabwehr des Landkreises ausgelöst, die nahezu in Echtzeit nacheinander ausrücken. Den ersteintreffenden Rettern präsentiert sich eine komplexe Schadenslage: Zwei Passagierschiffe sind am gegenüberliegenden Seeufer unmittelbar vor St. Bartholomä zusammengestoßen und treiben manövrierunfähig auf dem Wasser; aus einem der Boote steigen Rauchschwaden auf. Mehrere Menschen schwimmen teilweise verletzt im eiskalten Wasser, andere konnten sich mit letzter Kraft über die steilen Uferhänge an Land retten. Der Großteil der Passagiere wartet jedoch noch auf dem havarierten und brennenden Boot auf Hilfe.

Feuerwehr-Einsatzleiter Stefan Lochner und Franz Kurz von der Wasserwacht, der die Funktion des Einsatzleiters Wasserrettung übernommen hat, sind sich einig: „Jetzt zählt jede Minute!“ Über Funk fordern sie weitere Kräfte nach. Da ein Boot der Seenschifffahrt bis zu 80 Fahrgäste transportieren kann, rechnen die Einsatzkräfte mit einem Massenanfall von Verletzten, Vermissten und Todesopfern. Ein Großaufgebot von Einheiten der Feuerwehr, der BRK-Bereitschaften, der BRK-Wasserwacht, der Bergwacht im BRK, des Technischen Hilfswerks (THW) und der Polizei rückt an. Auch Sanitätseinheiten der Bundeswehr werden im Zuge der Amtshilfe angefordert. Kreisbrandrat Rudi Zeif wird als Örtlicher Einsatzleiter eingesetzt, Notarzt Dr. Reinhard Reichelt und Rettungsassistent Peter Dengler stellen die Sanitätseinsatzleitung. Auch die Führungsgruppe Katastrophenschutz im Landratsamt nimmt ihre Arbeit auf und lenkt den Einsatz rückwärtig.

Auf der ersten Überfahrt gelingt es der Wasserwacht mit zunächst zwei Booten insgesamt acht Verletzte zu retten; die Erschöpften und völlig durchnässten Passagiere müssen zum Teil aufgrund ihrer zusätzlichen Verletzungen noch an Bord medizinisch erstversorgt werden, während sie zur Seelände gefahren werden. Atemschutztrupps werden mit Booten über das 7,3 Kilometer lange und rund einen Kilometer breite Gewässer am Fuß des Watzmanns zum fiktiven Unglücksort transportiert. Sie müssen die Fahrgäste vom brennenden Schiff retten und den Brand bekämpfen. Während der Chaosphase übernehmen vor allem die privaten und staatlichen Bootsbetreiber eine tragende Rolle: Noch bevor ausreichend Rettungsboote zur Verfügung stehen, werden sie als Ersthelfer tätig, retten Betroffene aus dem Wasser oder transportieren Einsatzkräfte und Material zur Schadensstelle. „Im Ernstfall wären Wirte, Nationalparkverwaltung und Anwohner für uns unverzichtbar, weshalb wir heute versuchen, sie so effektiv wie möglich mit einzubinden“, erklärt Kreisbrandinspektor und Übungsleiter Stefan Pfnür, der das Szenario mit einem Helferteam ausgearbeitet und vorbereitet hatte. Mobile Rettungsboote von Wasserwacht, Feuerwehr und THW werden im weiteren Verlauf mit Trailern an der Seelände und verkehrsbedingt am Parkplatz des Echostüberls gewassert; Das am Königssee stationierten Rettungsboot der Wasserwacht bewältigt die Strecke bis zur Einsatzstelle in weniger als acht Minuten und bringt Notärzte, Bergwachtmänner, Wasserretter und Ausrüstung zum Unglücksort. Nahezu alle im See treibenden Patienten können auf Boote gerettet werden; da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass weitere erschöpfte Passagiere im eiskalten Wasser versunken sind, beginnen Tauchtrupps mit der Suche. Gleichzeitig setzt die Besatzung des Polizeihubschraubers „Edelweiß 2“ Bergwacht-Luftretter per Winde am Steilufer ab, die sofort mit der Versorgung der Patienten beginnen, die sich noch selbständig an Land retten konnten. Sie werden im Anschluss aufgewincht und zum Busparkplatz geflogen. Eine eigene Abschnittsleitung muss im weiteren Verlauf insgesamt 21 Boote koordinieren, die im Pendelverkehr zwischen der Seelände und dem fiktiven Unglücksort im Einsatz sind.

Parallel zum Rettungseinsatz auf dem Gewässer errichten die BRK-Bereitschaften mit drei Druckluftzelten einen Behandlungsplatz an der Seelände, wo die Verletzten und Betroffenen direkt von den eintreffenden Booten übernommen und bis zum Weitertransport in die vorgesehenen Zielkliniken registriert und optimal versorgt werden können. Die Unterstützungsgruppen der Örtlichen Einsatzleitung und der Sanitätseinsatzleitung beginnen umgehend mit der Dokumentationsarbeit und schaffen es in kurzer Zeit, die aufgrund der umliegenden Berge zunächst nur schlechte Funkverbindung zum Unglücksort durch ein zusätzliches Relais zu optimieren. „Unsere Übungsschwerpunkte waren die Registrierung und der Datenaustausch mit den Ermittlungsbeamten der Polizei, was den Verhältnissen entsprechend recht gut funktioniert hat“, meint Peter Dengler, der als Organisatorischer Leiter federführend für den Sanitätseinsatz war.

Um das Einsatztraining so realistisch wie nur möglich zu gestalten, spielt die Übungsleitung immer wieder zusätzliche Zwischenfälle ein: Durch einen fiktiven Ölteppich droht ein Umweltschaden, ein Atemschutzträger wird beim Rettungseinsatz verletzt und Tote werden am Unglücksort noch unter Wasser vermisst. Von Booten aus gelingt es den Tauchtrupps der Wasserwachten und der Feuerwehr Bad Reichenhall zusammen mit Einsatzkräften des THW schließlich bei einsetzender Dunkelheit, die versunkenen Toten und die Ölfässer zu bergen. Eine ausgebrachte Ölsperre soll verhindern, dass sich der Teppich weiter ausdehnt. „Das Szenario bot einen extrem hohen Übungswert mit umfangreichen Aufgaben für alle Einheiten, die Dank der sofort installierten Einsatzleitung mit Abschnittsleitern für den Boots- und Taucheinsatz sehr gut gemeistert wurden“, erklärt Franz Kurz, der als Einsatzleiter Wasserrettung mitwirkte. Bei der abschließenden Übungsbesprechung im Feuerwehrgerätehaus Berchtesgaden dankten die Vertreter von Landratsamt und Seenschifffahrt allen Beteiligten für ihren Einsatz. Um die Bewirtung der Übungsteilnehmer kümmerten sich die Feuerwehr Berchtesgaden und die Bundeswehr, die dafür extra einen Feldkochherd aufgebaut hatte.

Der Königssee ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Bayern. Für Sicherheitsbehörden und Tourismusverantwortliche stellt der ganzjährig starke Besucherandrang aber auch eine Herausforderung dar. Um für Unglücksfälle auf dem Wasser möglichst optimal gewappnet zu sein, hatten sich deshalb das Landratsamt Berchtesgadener Land und die Bayerische Seenschifffahrt GmbH zur gemeinsamen Katastrophenschutz-Übung entschlossen. Viele der stark frequentierten Ausflugziele am See sind nur vom Wasser aus oder über langgezogene und schwierige Steige von den umliegenden Bergen aus erreichbar. Der See wird von der Bayerischen Seenschifffahrt mit 17 großen Elektrobooten befahren. Neben dem Ausgangspunkt im Ortsteil Königssee werden die Haltestellen Kessel, St. Bartholomä und Salet (Saletalm) angefahren. Auf etwa halber Fahrtstrecke nach St. Bartholomä wird Touristen mittels Trompete vom Bootsführer das beeindruckende Mehrfach-Echo an den steilen Gebirgshängen demonstriert.

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